1989
Because the intersectional experience is greater than the sum of racism and sexism, any analysis that does not take intersectionality into account cannot sufficiently address the particular manner in which Black women are subordinated
Kimberlé Crenshaw: Demarginalizing the intersection of race and sex: A black feminist critique of antidiscrimination doctrine, feminist theory and antiracist politics, in University of Chicago Legal Forum 1989, S. 139-167, hier S. 140.
2002
Intersectionality might not actually take us far enough in conceptualising how identities work together in the context of violence and, further, may even hinder us in moving away from essentialised understandings of violence. […] I am less than convinced that race simply intersects with gender or sexuality in either the act of violence itself or in the way that [someone] experiences it. It seems to me that the process by which these particular categories of identity ‘come together’ may be more effectively conceptualised as a matter of mutual constitution, than one of intersection. As it currently stands, intersectionality has difficulty acknowledging the question of embodiment. In attempting to escape the essentialism of many feminist accounts of violence, intersectionality tends to rely upon a social constructionist understanding of the individual who enacts and/or experiences violence. As I shall argue, social constructionism is itself dependent upon a model of the human body as natural and prior to discourse. This restricts the ability of intersectionality to account for the embodied character of violence, without reproducing the very essentialist assumptions it is designed to avoid.
Gail Mason: The Spectacle of Violence. Homophobia, Gender, and Knowledge, London 2002, S. 59.
2009
Wir begreifen Intersektionalität als kontextspezifische, gegenstandsbezogene und an sozialen Praxen ansetzende Wechselwirkungen ungleichheitsgenerierender sozialer Strukturen (d. h. Herrschaftsverhältnisse), symbolischer Repräsentationen und Identitätskonstruktionen.
Gabriele Winker und Nina Degele: Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten, Bielefeld 2009, S. 15.
2014
Unter Intersektionalität wird verstanden, dass historisch gewordene Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Subjektivierungsprozesse sowie soziale Ungleichheiten wie Geschlecht, Sexualität/Heteronormativität, Race/Ethnizität/Nation, Behinderung oder soziales Milieu nicht isoliert voneinander konzeptualisiert werden können, sondern in ihren ‚Verwobenheiten‘ oder ‚Überkreuzungen‘ (intersections) analysiert werden müssen. Additive Perspektiven werden überwunden, indem der Fokus auf das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Kategorien bzw. sozialen Ungleichheiten gelegt wird. Es geht demnach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechselwirkungen.
Katharina Walgenbach: Heterogenität ‒ Intersektionalität ‒ Diversity in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2014, S. 54f.
2017
In den Vereinigten Staaten datiert der erste bekannt gewordene Fall der Überlagerung von Geschlecht und Rasse/Ethnizität auf das Jahr 1851, während die Gründung des Cambahee River Collective durch Schwarze, lesbische und sozialistische Feministinnen im Jahr 1974 als Meilenstein der Intersektionalitätsforschung gilt. Die deutsche Debatte wurde ab den 1920er-Iahren zunächst durch die proletarische Frauenbewegung bestimmt, seit den 1970er-Jahren auch durch Migrantinnen, Schwarze Frauen, Frauen jüdischen Glaubens und Frauen mit Behinderung. Tatsächlich berücksichtigen die meisten Ansätze jedoch nach wie vor nur die Trias Geschlecht ‒ Klasse ‒ Rasse/Ethnie und die jeweils zugrundeliegenden Herrschaftsmechanismen (Walgenbach 2007; Baldin 2014).
Mit Bührmann (2009) lassen sich drei Prinzipien benennen, in denen alle Ansätze der Intersektionalitätsforschung übereinstimmen:
‒ Eine rein additive, multiplikative oder reduktive Verknüpfung der berücksichtigten Kategorien ist unzulässig (Regel der Konstitution).
‒ Alle Kategorien sind historisch hervorgebracht, als kontingent zu begreifen und können in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Auswirkungen haben (Regel der kategorialen Konnexion).
‒ Alle gesellschaftlichen Ebenen werden als miteinander verknüpft betrachtet (Regel der kategorialen Provisorien)
[die Bezeichnungen der beiden letzten Regeln sind zu vertauschen].
Dominik Baldin: Intersektionalität, in: Kerstin Ziemen (Hg.): Lexikon Inklusion, Göttingen 2017, S. 145-147, hier S. 146.
2020
Intersektionalität, intersectionality, aus den USA stammendes Konzept für ein als „Kreuzung“ (intersection) oder „Überlagerung“ gedachte Verschränkung von unterschiedlichen sozialen Kategorien (class, race, gender u. a.) in der sozialen Produktion von Ungleichheit. Die Zuschreibungen von Identitäten und die Handlungsmöglichkeiten von Personen werden mit dem Konzept als Ergebnis eines Zusammenwirkens von mehreren Dimensionen sozialer Ungleichheit gefasst (z. B. Mehrfachdiskriminierung von migrierenden Frauen). Im Rahmen einer paradigmatischen Neuorientierung der Geschlechterforschung geht man heute davon aus, dass Prozesse einer fortschreitenden Ökonomisierung des Sozialen vielschichtige und tief greifende Transformationen in den Verhältnissen zwischen „class, race and gender“ bewirken. Die I.sforschung kann auch als Methodologie einer Soziologie der Diversität verstanden werden.
Andrea D. Bührmann: [Art.] Diversity Management, in: Daniela Klimke et al. (Hg.): Lexikon zur Soziologie, 6. Aufl. Wiesbaden 2020, S. 358.
Literatur
Katharina Walgenbach: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007.
Cornelia Klinger: Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität, Frankfurt am Main 2007.
Helma Lutz: Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes, Wiesbaden 2010.
María do Mar Castro Varela: Soziale (Un)Gerechtigkeit. Kritische Perspektiven auf Diversity, Intersektionalität und Antidiskriminierung, Berlin 2011.
Sabine Hess (Hg.): Intersektionalität revisited. Empirische, theoretische und methodische Erkundungen, Bielefeld 2011.
Marcus Emmerich: Heterogenität ‒ Diversity ‒ Intersektionalität. Zur Logik sozialer Unterscheidungen in pädagogischen Semantiken der Differenz, Wiesbaden 2013.
Patricia Hill Collins und Valerie Chepp: Intersectionality, in: Georgina Waylen, Karen Celis, Johanna Kantola and S. Laurel Weldon (Hg.): The Oxford Handbook of Gender and Politics, Oxford 2013. S. 57-87.
Katharina Walgenbach: Heterogenität ‒ Intersektionalität ‒ Diversity in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2014.
Christian Klein: Intersektionalität und Narratologie. Methoden ‒ Konzepte – Analysen, Trier 2014.
Michael Zander: Was ist problematisch an Intersektionalität?, in: Psychologie & Gesellschaftskritik 41 (2017), S. 47-65.
Katrin Meyer: Theorien der Intersektionalität zur Einführung, Hamburg 2017.
Matthias Bähr: Verschränkte Ungleichheit. Praktiken der Intersektionalität in der Frühen Neuzeit, Berlin 2018.
Harun Behr: Migration, Religion, Gender und Bildung. Beiträge zu einem erweiterten Verständnis von Intersektionalität, Bielefeld 2020.