Diversität (Diversity) ist eine politisch motivierte Perspektive auf die Vielfalt von Menschen, der eine Wertschätzung entgegengebracht wird, und auf die Unterschiedlichkeit von Menschen, deren Ungleichbehandlung mit spezifischen Maßnahmen entgegengetreten wird.
In der gleichzeitigen Wertschätzung von (kultureller) Verschiedenheit und dem Streben nach (rechtlicher) Gleichheit von Menschen vereinigt der Begriff der Diversität zwei unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Bewertungen von Verschiedenheit: Sie wird einerseits kulturell geschätzt und soll andererseits (in bestimmter Hinsicht) rechtlich unwirksam gemacht werden. Letzteres ist darin begründet, dass die gegenwärtige Aufmerksamkeit für Diversität eine Reaktion auf seit langem bestehende (rechtliche) Ungleichheiten und (soziale) Ungerechtigkeiten darstellt: Der Diskurs um Diversität reagiert auf die Praxis und Theorie der Unterdrückung, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen, die diese aufgrund ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe in vielen Kulturen und Gesellschaften erfahren haben. Seit den späten 1970er Jahren bündelt der Begriff der Diversität teilweise sehr viel ältere Bestrebungen und Bewegungen, die sich in unterschiedlichen historischen Konstellationen situieren lassen, so etwa im politischen Gleichheitsbegriff der griechischen Antike, den bürgerlichen Freiheits- und Demokratiebewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts oder den Emanzipations- und Antidiskriminierungsbewegungen des 20. Jahrhunderts. Die politische Perspektive der Diversität nimmt dabei zwar die historisch vollzogenen Differenzierungen und Kategorisierungen auf und betont sie – etwa die Einteilung der Menschen nach biologischem Geschlecht, ethnischer Herkunft oder religiöser Einstellung –, allerdings in erster Linie um die mit ihnen verbundenen, kulturell tief verwurzelten und sozial systematisch erfolgenden Diskriminierungen zu kritisieren und unwirksam zu machen. In dieser Hinsicht zielt Diversität also paradoxerweise auf die Herstellung des Gegenteils von Verschiedenheit, nämlich auf Gleichheit: die Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und Gleichstellung von Menschen unabhängig von ihren als biologisch oder kulturell geltenden Merkmalen.
Die vor allem juridisch bedeutsame Forderung nach (Rechts-)Gleichheit bildet einerseits eine Ermöglichungsbedingung für kulturelle Vielfalt (weil sie von dieser absieht), anderseits aber ein wichtiges Instrument gesellschaftlicher Integration und besteht daher nicht in der unterschiedslosen Gleichbehandlung aller, sondern in der bedarfsorientierten Ermöglichung von sozialer und politischer Teilhabe (nach den Prinzipien der Billigkeit oder equity). Vor diesem Hintergrund wird Verschiedenheit (der Voraussetzungen und Förderungen) zu einem integralen Moment der (Ermöglichung von) Gleichheit. Zur Durchsetzung dieses Ziels bestehen Diversitätsmaßnahmen in der gezielten Förderung und Unterstützung von Menschen, die diskriminierten oder bedürftigen Gruppen angehören. Diese Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Verschiedenheit als wertvoll für das soziale Ganze und jeden einzelnen anzuerkennen, Heterogenität zu affirmieren und diskriminierende Einstellungen abzubauen, sollen allen einen Zugang zu Räumen der Bildung, soziale Sichtbarkeit und politische Wirksamkeit ermöglichen.
Die Aufmerksamkeit für Diversität erwächst somit unmittelbar aus dem Selbstverständnis einer pluralistischen Demokratie: Die in jeder Gruppe von Menschen vorhandene Heterogenität und Vielfalt soll in allen ihren Institutionen der Repräsentation und Herrschaft auch wirksam werden und zur Bereicherung der Weltsicht und der Entfaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Menschen öffentlich präsent sein. Neben diesem in einem kulturellen Pluralismus sowie politischen Gleichheits- und Gerechtigkeitsparadigma eingebetteten Diversitätsbegriff bestehen andere, die sich im Wesentlichen drei anderen Paradigmen zuordnen lassen, die aber auch für die politische und kulturelle Verankerung der Diversitätsperspektive von hoher Relevanz sind: ein ökonomisches Paradigma, das auf Effizienz im Management von Unternehmen und auf die Erweiterung der Produktivkräfte und Absatzmärkte zielt, ein ökologisches Paradigma, das in der (Bio-)Diversität einen Garanten für ökologische Stabilität sieht und darüber hinaus einen Wert an sich, der die Diversitätsperspektive konsequent über den Menschen hinaus erweitert und damit auf die Überwindung des Anthropozentrismus zielt, und ein ästhetisches Paradigma, für das Vielfalt, Mannigfaltigkeit und Variation einen wichtigen Wert und eine wertvolle Perspektive darstellt.
AG »Begriffsarbeit« des Diversity and Gender Equality Network (DiGENet),
Berlin University Alliance, Juni 2021