2009
Ist Geschlecht eine Kategorie von Diversity? Oder stehen beide Begriffe nebeneinander? Es ist sinnvoll, einen zweigliedrigen Zugang zum Themenfeld zu wählen. Diese Formulierung wendet sich nämlich gegen die Vorstellung, Gender als in sich differente Kategorie enthalte Diversity bereits ‒ oder umgekehrt, Diversity könne Gender unter seinem Dach hinreichend gut beherbergen. Bei allen Gemeinsamkeiten ‒ und trotz gewiss vorhandener Überlappungen -‒ behalten beide Begriffe doch ihre Relevanz. Zum einen sind sie mit verschiedenen Arten der Marktnachfrage verknüpft: Privatwirtschaftliche Unternehmen orientieren sich am Diversity-Begriff, im öffentlichen Dienst hingegen liegt der Fokus den gesetzlichen Vorgaben entsprechend auf Geschlecht und Gender Mainstreaming. Zum anderen haben beide Kategorien historische Besonderheiten: Die Aufmerksamkeit für Gender hat sich im Zuge der Frauenbewegung und dem darauf folgenden starken Forschungsinteresse an Universitäten und der Institutionalisierung in Verwaltungen seit den 1970er ]ahren entwickelt. Die theoretischen und anwendungsorientierten Konzepte sind daher in Bezug auf Geschlecht auch viel weiter entwickelt und sie befruchten das jüngere Konzept Diversity. Diversity hingegen geht ursprünglich auf die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung zurück. In Europa ist dieser Begriff vor allem durch die Unternehmensstrategie „Diversity Management“ bekannt geworden ‒ und dies erst seit wenigen Jahren. Erste Zentren für Diversity Studies sind in Deutschland und Europa gerade erst im Entstehen. Eine der stärksten Argumentationen fiir die Paaroption von Gender & Diversity ergibt sich in rechtspolitischer Hinsicht, da die Gleichstellung von Mann und Frau stärker rechtlich geregelt ist als andere Diversity-Dimensionen.
Dagmar Vinz und Katharina Schiederig: Gender und Diversity ‒ Vielfalt verstehen und gestalten, in: Peter Massing (Hg.): Gender und Diversity, Schwalbach 2009, S. 9-32, hier S. 23f.

2009
Ob Traumpaar oder Albtraum – in jedem Fall ist das Verhältnis von Gender und Diversity umkämpft und wenig ausgelotet. Dabei stehen ganz unterschiedliche Formen der Bindung zur Diskussion: Ist ein Ausdruck symbiotischer Liebe zu postulieren, sodass Diversity bereits Gender impliziert – zumal die Kategorie Gender Frauen und Männer nicht als homogene Gruppen fasst, sondern in Relation zu anderen sozialen Dimensionen wie Klasse, Ethnie, Alter oder Religion setzt? Macht Gender, verstanden als mehrfachrelationale und in sich differente Kategorie, Diversity gar zu einer Tautologie? Ist es dann ein Albtraum, wenn Gender neben Alter, Ethnie oder Religion als eine (wenn auch zentrale) Dimension Diversity als Oberbegriff ‚unterworfen‘ wird? Oder sollte uns der gemeinsame Auftritt von ‚Gender & Diversity‘ überzeugen, die mit zunehmender Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit nicht als konkurrente, sondern als kongruente Konzepte in Erscheinung treten, – sei dahingestellt, ob die beiden in den jeweiligen Konstellationen ein perfektes Paar sind oder eine Zweckgemeinschaft bilden?
Barbara Riedmüller und Dagmar Vinz: Diversity als Herausforderung für die Sozialpolitik in: Sünne Andresen, Mechthild Koreuber und Dorothea Lüdke (Hg.): Gender und Diversity. Albtraum oder Traumpaar?, Wiesbaden 2009, S. 65-78, hier S. 65.

2009
[Es] besteht aber immer schon eine Verbindung [zwischen Diversity und Gender], weil Diversity (im Sinne von Vielfalt) ein Aspekt von Gender und Gender ein Aspekt von Diversity (im Sinne von Vielfalt und von deren Management) ist. Aus einer politisch-programmatischen Perspektive passen die Metaphern jedoch, und darum soll es im Folgenden gehen: Hier stehen die Bezeichnungen Gender und Diversity beziehungsweise Gender Mainstreaming und Diversity Management oder Ähnliches für eigenständige und konkurrierende Konstrukte oder Konzepte, wobei es sich allerdings um eine „Konkurrenz in der Marginalität“ (Kirsch-Auwärter […]) handelt. „Gender und Diversity: Albtraum oder Traumpaar“ als Buchtitel symbolisiert die polarisierten Positionen und die emotionale Heftigkeit, mit der die Auseinandersetzungen häufig geführt werden. Das ist der Hintergrund, vor dem ich für den Titel dieses Beitrags das Bild der Vernunftehe gewählt habe: als Plädoyer für eine pragmatische Offenheit gegenüber der Verbindung von Gender und Diversity. In diesem Sinne spreche ich mich im Folgenden für vielfältige Verbindungen von Gender und Diversity aus
Gertraude Krell: Gender und Diversity: Eine ‚Vernunftehe‘, Plädoyer für vielfältige Verbindungen, in: Sünne Andresen, Mechthild Koreuber und Dorothea Lüdke (Hg.): Gender und Diversity. Albtraum oder Traumpaar? Interdisziplinärer Dialog zur „Modernisierung“ von Geschlechter- und Gleichstellungspolitik, Wiesbaden 2009, S. 133-154, hier S. 133.

2015
In the debates in German-speaking countries, diversity is generally linked
rst and foremost with the category of gender and only subsequently with cultural and ethnic identities and, in addition, with socio-economic background. Thus, gender is one of the central dimensions with which to describe diversification processes and diversity. At the same time, gender itself must be regarded as the product of discursive processes of differentiation. In that connection, much of the current research in diversity studies builds upon findings from gender studies showing that gender must be understood both as a process and a structural category. In other words, the category of gender is produced through specific practices of differentiation and, at the same time, serves alongside race and class as one of the central axes of inequality in modern societies.
Andrea Bührmann: Gender – a central dimension of diversity, in: Steven Vertovec (Hg.): The Routledge International Handbook of Diversity Studies, London 2015, S. 23-32, hier S. 24.

 

Literatur

Peter Massing (Hg.): Gender und Diversity, Schwalbach 2009.

Sünne Andresen, Mechthild Koreuber und Dorothea Lüdke (Hg.): Gender und Diversity. Albtraum oder Traumpaar?, Wiesbaden 2009.

Gertraude Krell, Renate Ortlieb und Barbara Sieben (Hg.): Gender und Diversity in Organisationen. Grundlegendes zur Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden 2018.