1) Juristischer Terminus für die Freilassung eines erwachsenen Kindes aus der väterlichen Gewalt (e manu capere).

1511
Forma so eyn vatter seyn sün vß vätterlichem gewalt verlaßt das er selbs walten mög. Eyn gerichts form über dieselb emancipacion
Heinrich Geßler: Formulare und tütsch Rethorica, Straßburg 1511, S. 73a.

1651
Paternall Jurisdiction is dissolved also by Emancipation.
John Cowell: The Institutes of the Lawes of England, London 1651, S. 29.

1883
Im heutigen Rechte besteht der Begriff der Emancipation juristisch noch im Sinne der Entlassung von Kindern aus der väterlichen Gewalt.
Brockhaus, 13. Aufl., Bd. 6 (1883), S. 94.

 

2) (Selbst-)Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit und (politischen) Bevormundung, Herstellung von Gleichberechtigung und Selbständigkeit. (OWID)

1768
Ein Volk, das Reichthum im Besitz hat, und auf sein Eigenthum eifersüchtig wird, hat das Project der Emancipation entworfen, und ist unter Begünstigung einer neuerlich gewonnenen Wichtigkeit in der Erweiterung seiner Forderungen, und in der Streitigmachung der Vorrechte, welche sein Landesherr zu gebrauchen gewohnt gewesen ist, immer weiter fortgegangen.
Adam Ferguson: An Essay on The History of Civil Society, dt. Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Leipzig 1768, S. 407.

1785
Emancipation
is put into such a train that in a few years there will be no slaves northward of Maryland.
Thomas Jefferson: [Brief vom 7. Aug. 1785], in: The Papers of Thomas Jefferson, Bd.
VIII, Princeton 1953, S. 357.

1790
Abschaffung des verhaßten Negerhandels und die Emancipation der Sclaven
Johann Wilhelm von Archenholz: Annalen der Brittischen Geschichte des Jahrs 1789, Hamburg 1790, S. 69.

1792
Diese Emanzipation vom blinden Gehorsam, die alle Zwangmittel und alle Befehle überflüssig macht, setzt zugleich voraus, daß wir die Richtschnur unseres Verhaltens in unserem Innern besitzen
Georg Forster: Über den gelehrten Zunftzwang. Vorrede zu Volneys Ruinen (1792), in: Kleine Schriften und Reden, Berlin 1983, S. 80.

1803
die Nothwendigkeit der Emancipation und politischen Gleichstellung der Katholiken in dem unirten grossbrittanischen Reiche
Almanach der Fortschritte (1803), S. 281 (nach DFWB).

1816
[Es] ist die Emancipation der Frauen nicht mit dem Bade zu verschütten , sondern in geistiger und veredelnder Hinsicht zu begünstigen . Indem das Weib sich zum freien Gefühl seines Werthes erhebt , muß es auch einen …
Morgenblatt für gebildete Stände – Band 10,Ausgabe 13, S. 48.

1824
Es ist nicht zu bezweifeln, daß einst die Sclaverei, als den Eigenthümern selbst lästig, sich von selbst abschaffe, und man sich mit der Emancipation der Schwarzen, oder wenigstens ihren Stand oder ihre Existenz allmählig nützlicher zu machen, beschäftigen werde.
Alphonse de Beauchamp: Vorstellung an die Monarchien Europas in Betreff der Unabhängigkeit des Reichs von Brasilien (Beschluß) (Übersetzung), in: Minerva 4 (1824), S. 1-58, hier S. 47.

1830
Was aber ist diese große Aufgabe unserer Zeit? Es ist die Emanzipation. Nicht bloß die der Irländer, Griechen, Frankfurter Juden, westindischen Schwarzen und dergleichen gedrückten Volkes, sondern es ist die Emanzipation der ganzen Welt
Heinrich Heine: Reise von München nach Genua (1830), Kap. XXIX.

1833
Die Emancipation der Frauen ist eine […] Nebenfrage; ja man könnte sie eher ein Hirngespinst nennen, da die Leute, welche viel davon reden, gar nicht einig darüber zu sein scheinen, was sie eigentlich wollen. Die Frauen, so sagen sie, sollen Theil nehmen am öffentlichen Leben; sie sollen mit warmer Theilnahme die Ereignisse des Tages, das Wohl und Wehe ihres Volkes und Vaterlandes betrachten lernen
Anonymus: Die Emancipation der Frauen, in Bezug auf den Zieglerschen Antrag, in: Constitutionelle Staats-Bürgerzeitung und Insel Rügen 35 (1. März 1833), S. 137-139, hier S. 137.

1835
die Emancipation der Frauen
S*: Ueber die Emancipation der Frauen. Ein wohlgemeintes Wort, München 1835.

1836
Es ist von besonderer Wichtigkeit gerade für unsere Zeit, wo so viel von der politischen Emancipation der Frauen, d h. von ihrer unmittelbaren Theilnahme am öffentlichen Leben, gefaselt wird, dass dagegen eine Frau sich erklärt, die, wenn irgend eine, zu jener Theilnahme wahrhaft berufen war.
K.H.S.: [Rezension: Eigenhändige Briefe der Madame Roland an Bancal-des-Issarts, Cronratsmitglied, Leipzig 1836], in: Jenaische allgemeine Literaturzeitung No. 177, Sept. 1836, S. 449-455, hier S. 454.

1839
die sogenannte Emancipation der Frauen
Tinette Homberg: Über die sogenannte Emancipation der Frauen, Crefeld 1839.

1840
Die h. Schrift weiß nichts von Emancipation der Frauen, und der edelste Schmuck des Weibes bleibt für immer schamhafte Sittsamkeit, deren Ausdruck eine züchtige Kleidung seyn muß.
Hermann Olshausen: Biblischer Commentar über sämmtliche Schriften des Neuen Testaments, Bd. 3, 2.
Aufl. Königsberg 1840, S. 664.

2020
Emanzipation
, [1] ursprünglich: Entlassenwerden vom Gewalthabenden aus Gewaltverhältnissen, die im sozialen Kontext als „natürlich“ gelten; so die E. des Sohnes aus der Gewalt des Vaters.
[2] In den bürgerlichen Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts bezeichnet E. die Befreiung des Bürgertums aus ökonomischen, politischen, sozialen und geistigen Abhängigkeitsverhältnissen. E. heißt hier sowohl die soziale E.sbewegung als auch deren Idee, die die Ungerechtigkeit der Abhängigkeitsverhältnisse in Beibehaltung oder Wiedereinsetzung traditionaler (positiver) Rechtsformen sieht. Die Aufklärung dieser Missstände gilt zugleich als Appell an die Herrschenden, diese Verhältnisse zu revidieren.
[3] Seit der Französischen Revolution bezeichnet E. die Selbstbefreiung von Gruppen, Klassen, Gesellschaften aus Zwangsverhältnissen. Die revolutionären Topoi Gleichheit und Freiheit werden als normative Setzung der Gleichheit aller als Ziel und die Freiheit als Befreiung aus ökonomisch, politisch und sozial bedingten Ungleichheiten zu den Zentralpunkten der soziologischen Theorien und der sozialistischen Bewegungen. Besondere Bedeutung kommen seitdem zu: a) der politischen E., beginnend mit der Gleichberechtigung der Bauern und des Proletariats seit dem Saint-Simonismus; b) der Frauen-E. seit dem Fourierismus; c) der menschlichen E. als die „Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse auf den Menschen selbst“ (K. Marx).
Otthein Rammstedt: [Art.] Emanzipation, in: Daniela Klimke et al. (Hg.): Lexikon zur Soziologie, 6. Aufl. Wiesbaden 2020, S. 179f.

 

Literatur

Hedda J. Herwig: Formen des Emanzipationsbegriffs. Zur Kritik der unbestimmten Selbstverwirklichung, München 1980.

Ernesto Laclau: Emancipation(s) (1996), dt. Emanzipation und Differenz, Wien 2002.

Katrin Rönicke: Emanzipation, Stuttgart 2018.

Alex Demirović et al. (Hg.): Emanzipation. Zur Geschichte und Aktualität eines politischen Begriffs, Münster 2019.