1515
illa etherogeneitas cum non reperiatur meli lapidificare propter etherogeneitatem maiorem
Jérôme de Hangest: Liber de causis Hieronymi de Hangest theologiae professoris, Paris 1515, lib.
II.

1516
modo heterogeneitas est quedam dissimilitudo. pot esse: vel dissimilitudo partium in figura: vel dissimilitudo partium in qualitate
Albertus de Saxonia: Quaestiones & decisiones physicales insignium virorum, Paris 1516, lib. II, qu. ii, ad iii.

1646
Metalls are minerall substances, fusible and malleable. They are commonly distinguished into perfect and imperfect; perfect, because they have lesse impurity or heterogeneity in them, as gold and silver: imperfect, because they are full of impurities, as iron, copper, tin and lead.
Edward Leigh: A Treatise of Divinity: Consisting of Three Bookes, London 1646,  S. 54f.

1651
In the artificiall processe of manifesting the heterogeneity of water
John French: The Art of Distillation, London 1651, S. 109.

1735
Heterogeneum
, he[i]sset überhaupt ein Ding, so in Vergleichung mit einem andern von verschiedener Art befunden wird; dahingegen dasjenige, so von einerley Beschaffenheit mit einem andern ist, homogeneum genennet wird. Es bestehet also die Heterogeneitas lediglich in der Relation eines Dinges auf andern, nachdem ich solche unter gewissen Umständen betrachte, und können zwey Dinge bald als homogenea, bald als heterogenea angesehen werden, nachdem ich solche bald unter diesen, bald unter jenen Umständen in Erwegung ziehe.
Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 12, Leipzig 1735, Sp. 1917.

1747
Heterogeneitas
atomorum est tota causa diversitatis specificæ corporum concretorum
Silvester Aranha: Disputationum physicarum adversus atomisticum systema, Coimbra 1747, S. 44.

1862
every kind of Evolution is from a state of indefinite incoherent homogeneity to a state of definite coherent heterogeneity […]
The instability […] is obviously consequent on the fact, that the several parts of any homogeneous aggregation are necessarily exposed to different forces—forces that differ either in kind or amount; and being exposed to different forces they are of necessity differently modified. […] perfect homogeneity nowhere exists; since, whether that state with which we commence be or be not one of perfect homogeneity, the process must equally be towards a relative heterogeneity.
Herbert Spencer: First Principles, London 1862, S. 219; 361f.

1890
Der Fortgang […] zielt nun auf associative Verhältnisse homogener Bestandteile aus heterogenen Kreisen. So umschließt die Familie eine Anzahl verschiedenartiger Individualitäten, die zunächst auf diese Verbindung im engsten Maße angewiesen sind. […]
Freiheit und Bindung verteilen sich gleichmäßiger, wenn die Socialisierung, statt die heterogenen Bestandteile der Persönlichkeit in einen einheitlichen Kreis zu zwingen, vielmehr die Möglichkeit gewährt, daß das Homogene aus heterogenen Kreisen sich zusammenschließt.
Georg Simmel: Über sociale Differenzierung, Leipzig 1890, S. 101; 108.

1893
L’univers, c’est-à -dire l’orientation vers l’un, n’existe pas encore.
Le divers seul, la diversité infinie seule existe: une hétérogénéité diffuse, dispersion des atomes et des volontés élémentaires, des monades.
Charles Sarolea: La liberté et le déterminisme dans leurs rapports avec la théorie de l’évolution, Brüssel 1893, S. 163.

1908
Die Selbsterhaltung durch konservatives Verfahren scheint da angezeigt zu sein, wo die Gesamtheit aus sehr disparaten Elementen mit latenten oder offenen Gegnerschaften besteht, so daß überhaupt jeder Anstoß, gleichviel in welchem Sinne, gefährlich wird und selbst Maßregeln der Erhaltung und positiver Nützlichkeit, sobald sie eine Bewegung mit sich bringen, vermieden werden müssen. So wird ein sehr kompliziertes und fortwährend nur in labilem Gleichgewicht zu haltendes Staatswesen, wie das österreichische, im ganzen stark konservativ sein, weil jede Bewegung eine irreparable Störung des Gleichgewichts erzeugen könnte. Dieser Erfolg knüpft sich ganz im allgemeinen an die Form der Heterogeneität der Bestandteile in einer größeren Gruppe, sobald diese Verschiedenheit nicht zu einem harmonischen Ineinandergreifen und Zusammenwirken führt. Die Gefahr für die Erhaltung des sozialen status quo liegt hier nämlich darin, daß jeder Anstoß in den verschiedenen, mit ganz entgegengesetzten Energien geladenen Schichten äußerst verschiedenartige Erfolge hervorrufen muß. Je weniger innere Zusammengehörigkeit unter den Elementen der Gruppe besteht, desto wahrscheinlicher ist es, daß neue Anregungen, neue Aufrüttelungen des Bewußtseins, neue Veranlassungen zu Entschlüssen und Entwicklungen, die Gegensätze nochweiter auseinandertreiben werden.
Georg Simmel: Soziologie, Berlin 1908, S. 575f.

1933-34
Le terme même d’hétérogène indique qu’il s’agit d’éléments impossibles à assimiler et cette impossibilité qui touche à la base l’assimilation sociale touche en même temps l’assimilation scientique. Ces deux sortes d’assimilations ont une seule structure: la science a pour objet de fonder l’homogénéité des phénomènes; elle est, en un certain sens, une des fonctions éminentcs de l’homogénéité. Ainsi, les éléments hétérogènes qui sont exclus par cette dernière se trouvent également exclus du champ de l’attention scientifique: par principe même, la science ne peut pas connaître d’éléments hétérogènes en tant que tels. […] A un tout autre titre, peuvent également être décrites comme hétérogènes, les couches sociales les plus basses, qui provoquent généralement la répulsion et ne peuvent en aucun cas être assimilées par l‘ensemble des hommes. Ces classes misérables sont regardéœ dans l’Inde comme intouchables, c’est-à-dire qu’elles sont caractérisées par une prohibition de contact analogue à celle qui s’applique aux choses sacrées.
Georges Bataille: La structure psychologique du fascism (1933-34), in: Oeuvres complètes, Bd. 1, Paris 1970, S. 339-371, hier S. 344; 349.

1983
Sind wir […] nicht-modern? Die Inkommensurabilität, die Heterogenität, der Widerstreit, die Beharrlichkeit von Eigennamen, das Fehlen eines Höchsten Gerichts? Oder nimmt im Gegenteil die Romantik ihren Fortgang, die Sehnsucht, die den Rückzug von … begleitet usw.? Der Nihilismus? […]
Vielleicht ist die Erzählung diejenige Diskursart, in der sich die Heterogenität der Regelsysteme und selbst der Diskursarten m wirkungsvollsten vergessen machen kann. […]
Zwischen den Sätzen der Einbildungskraft einerseits, den Sätzen der technischen Verwirklichung andererseits und schließlich den Sätzen, die den Regeln des ökonomischen Diskurses gehorchen, besteht Heterogenität. […]
Das einzige unüberwindliche Hindernis, auf das die Hegemonie des ökonomischen Diskurses stößt, liegt in der Heterogenität der Satz-Regelsysteme und Diskursarten, liegt darin, daß es nicht »die Sprache« und nicht »das Sein« gibt, sondern Vorkommnisse. Das Hindernis besteht nicht im »Willen« der Menschen im einen oder anderen Sinne, sondern im Widerstreit.
Jean-François Lyotard: Le différend (1983), dt. Der Widerstreit, München 1987, S. 225; 251;288; 299.

1987
Die Lyotardsche Konzeption basiert […] insgesamt ‒ von der Konstitution des Widerstreits über seine juridische Form bis zur Lösungsperspektive ‒ auf der radikalen Heterogenität und Inkommensurabilität der sprachlichen Formen
Wolfgang Welsch: Heterogenität, Widerstreit und Vernunft. Zu Jean-François Lyotards philosophischer Konzeption von Postmoderne, in: Philosophische Rundschau 34 (1987), S. 161-186, hier S. 177.

1987
Der Postmodernismus im engeren Sinn gehört Bell zufolge nur einer gesellschaftlichen Sphäre zu ‒ der kulturellen ‒, aber der einschneidende Pluralismus und die unaufhebbare Heterogenität verschiedener Paradigmen, wie dieser kulturelle Postmodernismus sie propagiert, sind Bell zufolge ein Prinzip der postmodernen Gesellschaft insgesamt, denn diese ist durch eine Mehrzahl konfligierender und unvereinbarer Maßstäbe charakterisiert. Und Bell hat darauf hingewiesen, daß solche Heterogenität gegenwärtig nicht nur zwischen den Sphären Wirtschaft, Kultur und Politik besteht, sondern auch in die einzelnen Subjekte eindringt: Jeder von uns, sagt er, hat vielfache Neigungen und Identitäten und folgt ganz unterschiedlichen Interessen und Werten […].
Der positive Begriff des Postmodernen […] bezieht sich auf die Freigabe und Potenzierung der Sprachspiele in ihrer Heterogenität, Autonomie und Irreduzibilität […].
Der postmoderne Pluralismus greift in Basisentscheidungen ein. Die Heterogenität ‒ die jetzt erstmals in ihrer Grundsätzlichkeit erfahren und ergriffen wird ‒ läßt keinen Einheitsboden unberührt. Die Diversität der Lebensformen macht vor Konsumverhalten, Demokratieverständnis und Arbeitsleben keineswegs Halt.
Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1987, S. 30; 33; 158.

1993
Heterogenität
. Eine neue Leitidee beginnt zu wirken
Andreas Hinz: Heterogenität. Eine neue Leitidee beginnt zu wirken, in: Angelika Henschel (Hg.): Konzepte der (Sonder)Pädagogik in Ost und West, Bad Segeberg 1993, S. 15-31.

1993
Erst in Verbindung mit der Wertschätzung für Heterogenität wird Gleichheit wirklich uneingeschränkt gültig. Erst so kann sie ihre befreiende Wirkung entfalten. […]
[Es geht] um die Suche nach Theorien, die die Heterogenität von Menschen in ihren individuellen und kollektiven Lebensweisen nicht harmonistisch glätten, aber zugleich fragen, wie Übergänge, Beziehungen Kommunikation zwischen den Verschiedenen gestaltet sein könnte. […] Welche Erkenntnisse kann eine Theorie bereitstellen für eine nicht totalitäre, Heterogenität respektierende Kommunikation? […]
Offenheit für die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler sowie für ihre nicht vorausbestimmbaren eigenen Lernprozesse verbietet das Aufstellen von verbindlichen Leitbildern. Ich kann nicht stellvertretend festlegen, was sie einmal werden sollen. Dazu gehört, daß auch ihre Emanzipationswege oder ihre kulturelle Zugehörigkeit nicht von wohlmeinenden Pädagoginnen und Pädagogen vorgezeichnet werden sollen.
Annedore Prengel: Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in interkultureller, feministischer und integrativer Pädagogik, Opladen 1993, S. 51; 53; 190.

2004
Heterogenität
als neue Leitidee der Erziehungswissenschaft?
Norbert Wenning: Heterogenität als neue Leitidee der Erziehungswissenschaft? Zur Berücksichtigung von Gleichheit und Verschiedenheit, in: Zeitschrift für Pädagogik 50 (2004), S. 565-582.

2007
Umgang mit Heterogenität – eine Grundbedingung des pädagogischen Handelns
Sven Sauter und Joachim Schroeder: Heterogenität – eine Einführung in eine pädagogische Leitkategorie, Hagen 2007, S. 14.

2008
Bei aller Plausibilität, die für die Argumentation einer Heterogenitätssteigerung beansprucht werden kann, wird Heterogenität in der aktuellen Debatte aber auch differenzierter gedacht, als dies zum Teil noch in den 1970er Jahren der Fall war. Während damals eher die Leistung im Vordergrund stand, werden heute mit den sozialen, kulturellen und sprachlichen Vorerfahrungen, dem Geschlecht oder der körperlichen und geistigen Gesundheit vielfältige Kriterien zur Beschreibung von Lerngruppen als bedeutsam eingeschätzt.
Matthias Trautmann und Beate Wischer: Das Konzept der Inneren Differenzierung – eine vergleichende Analyse der Diskussion der 1970er Jahre mit dem aktuellen Heterogenitätsdiskurs, in: Meinert A. Meyer, Manfred Prenzel und Stephanie Hellekamp (Hg.): Perspektiven der Didaktik. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 9, Wiesbaden 2008, S. 159-172, hier S. 170.

2011
Heterogenität
ist […] nicht als Faktum gegeben, sondern nur als ein Konstrukt, d.h. eine Bezeichnung, die von außen – von einem Beobachter – zugeschrieben wird. Ausschlaggebend ist, welches Kriterium für den Vergleich von Gruppenmitgliedern gewählt wird. […]
Heterogenität wird aktuell (und in historischer Perspektive […]) durch diverse, nicht einheitlich bestimmte Dimensionen beschrieben. Bleibt man bei der aktuellen Debatte, also einer synchronen Betrachtung, dann werden fast immer genannt: kognitive Leistungsfähigkeit (Intelligenz, fachliche Leistungen, aber auch Lernbehinderung), soziale Herkunft (Sozialschicht, Familienstruktur, Migrationshintergrund, religiöse Einbindung etc.), die Geschlechtszugehörigkeit und das Alter.
Matthias Trautmann und Beate Wischer: Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung, Wiesbaden 2011, S. 39; 41.

2012
Ab dem Jahr 1990 steigt die Gesamtzahl der Publikationen mit dem Begriff „Heterogenität“ im Titel […] an, die Quote liegt dauerhaft im zweistelligen Bereich rund um ca. 30 Veröffentlichungen. Ab dem Jahr 2001 findet dann eine enorme Ausweitung statt, die Progression der Veröffentlichungen steigt (abgesehen von einem kleinen Einbruch im Jahr 2005) annähernd linear an. Im Jahr 2008 wurden bereits mehr als 200 Titel gelistet, die sich vor allem auf schulpädagogische Themen beziehen. […]
In zahlreichen diskursiven Formationen taucht eine normative Setzung von Heterogenität als positivem Gegenpol („gut“) zu Homogenisierungen auf. Das Phänomen sozialer Differenz gilt es zu begrüßen und in seiner Besonderheit anzuerkennen. Heterogenität erscheint als sakrosankte Heilsbotschaft zur Bekämpfung zahlreicher gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Probleme. Zwar betonen einige Texte auch, dass das Verhältnis kein absolutes und normatives, sondern ein relationales sei, dominierend sind jedoch Aussagen, die Heterogenität als positive Perspektive ausgeben, aus der sich auch der moralische Anspruch der Befreiungsfigur speist. Der Geltungsbereich ist dabei umfassend und weit gesteckt, die Normativität erstreckt sich weit über den Bereich der Schule hinaus, die Machteffekte reichen in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. […]
Erstaunlich ist, dass im gesamten Diskursgefilde das Phänomen der Heterogenität selbst kaum hinterfragt, in Zweifel gezogen oder einer kritischen Perspektive unterworfen wird. Es werden zwar zahllose Aussagen im Kontext von Heterogenität getroffen, über Heterogenität als Relation zwischen Differentem mit Bezug zu Gleichem wird (von wenigen Aussagen abgesehen) nicht gesprochen. Der Diskurs schweigt von seinem eigenen Gegenstand. Möglicherweise schimmert hier eine spezifische Vorstellung auf, nämlich die Vorstellung einer „eigentlichen“, unhintergehbaren Heterogenität. Die Differenz wird damit zum Wesenskern von Individuen erklärt. Bleibt dies bei der reinen Attestierung von Unterschieden stehen, dann könnte damit das Ende der Pädagogik als absichtsvolles Handeln markiert sein, denn das Leitbild der kontextlosen Verinselung verunmöglicht eine normative Perspektive sowohl im Sinne gemeinschaftlicher (z.B. pädagogischer, didaktischer) Ziele als auch in Bezug auf Gerechtigkeitsideale (in Sinne von Gleichheit), welche an die Position des konstitutiven Außen anknüpft. Ist jedoch diese Perspektive der Akzentuierung von Differenz erst einmal eingenommen, ist es nur folgerichtig, dass Meyer anfragt, ob das „allgemeinbildende Schulsystem nicht abzuschaffen [und] statt dessen Heterogenität [zu] fördern” (2003, S.14, meine Herv.) sei. Auf diese Weise werden Schule und Heterogenität letztendlich als dichotome und unversöhnliche Gegensätze in den Diskurs eingeschrieben. In dieser Pointierung trägt der Diskurs um Heterogenität dazu bei, pädagogisches Handeln unmöglich zu machen, da der Abstand zwischen den Individuen unüberbrückbar wird und damit Erziehung und Bildung nicht adressiert werden können.
Jürgen Budde: Die Rede von der Heterogenität in der Schulpädagogik. Diskursanalytische Perspektiven, in: Forum Qualitative Sozialforschung 13 (2012), Nr. 2, Art. 16, Abs. 2; 60; 63.

2013
[Es] kann der Heterogenitätsdiskurs als eine Facette des Modernisierungsdiskurses verstanden werden, in dem gegen als veraltet dargestellte, typisch deutsche Homogenisierungsbemühungen angeschrieben wird, die es – um den Anschluss an die Modernisierung im Bildungssystem nicht zu verlieren – zu überwinden gelte. Argumentiert wird im deutschsprachigen Heterogenitätsdiskurs – so unsere These – also mit Bezug auf spezifisch deutsche Gegebenheiten, die es als der derzeitigen Situation nicht mehr angemessen zu überwinden gilt, womit dem Neuen ein Legitimationsgewinn (vgl. Bellmann/Waldow 2007) verschafft wird.
Kerstin Rabenstein und Julia Steinwand: Heterogenität als „deutsches Phänomen“? Internationale Perspektive auf die deutsche Debatte um Heterogenität in Schule und Unterricht, in: Jürgen Budde (Hg.): Unscharfe Einsätze. (Re-)Produktion von Heterogenität im schulischen Feld, Wiesbaden 2013, S. 81-97, hier S. 93.

2013
Die Heterogenität der politischen Forderungen wird grundsätzlich bestehen bleiben und auch immer als Spannung zwischen verschiedenen, sich auf einen gemeinsamen Kampf einigenden sozialen Gruppen überdauern. Nur mit den inhaltlich bestimmten Forderungen der einzelnen, jeweils unterschiedlichen politischen Gruppen (wie etwa nach Abschaffung von Diskriminierung bestimmter Gruppen, Verbesserung von Arbeitsbedingungen, Umweltschutz etc.) wird der Prozess der Politik am Leben erhalten. Der Versuch, diese Kämpfe durch Universalisierung zu hegemonialen, mehrheitsfähigen Projekten zu machen, ist der einzige Weg ihrer Durchsetzung: Zwischen einer Logik völliger Identität und der einer reinen Differenz muß die Erfahrung der Demokratie aus der Anerkennung der Vielfalt sozialer Logiken und der Notwendigkeit ihrer Artikulation bestehen. Diese Artikulation muß jedoch beständig neu geschaffen und neu ausgehandelt werden – es gibt keinen Schlußpunkt, an dem ein für allemal ein Gleichgewicht erreicht sein wird.
Martin Saar: Die Immanenz der Macht. Politische Theorie nach Spinoza, Frankfurt am Main 2013, S. 399f.

2014
das Diskursfeld zu Heterogenität […] [kann] nach unterschiedlichen Bedeutungsdimensionen geordnet [werden]:
Heterogenität als Belastung oder Chance (evaluative Bedeutungsdimension)
Heterogenität als soziale Ungleichheit (ungleichheitskritische Bedeutungsdimension)
Heterogenität als Unterschiede (deskriptive Bedeutungsdimension)
Heterogenität als didaktische Herausforderung (didaktische Bedeutungsdimension).
Katharina Walgenbach: Heterogenität ‒ Intersektionalität ‒ Diversity in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2014, S. 25f.

2014
Eine nahe liegende Vermutung zu den Hintergründen der Entwicklung lautet, dass sich im Laufe der letzten Jahrzehnte die Zusammensetzung der Schülerschaft an Schulen in Deutschland tatsächlich insofern verändert hat, als der Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler bzw. von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund beträchtlich gewachsen ist. […]
[Außerdem] bedurfte es auch einer gesteigerten Aufmerksamkeit für entsprechende Phänomene, um dem Begriff zu seiner Verbreitung zu verhelfen. Eine solche Aufmerksamkeit für die Gruppe der Heranwachsenden aus Migrantenfamilien wurde nicht zuletzt durch die Ergebnisse internationaler Schulleistungsvergleiche wie PISA, TIMMS und IGLU geweckt, die darauf verweisen, dass die Schulleistungen und der Schulerfolg in Deutschland stärker als in fast allen anderen vergleichbaren europäischen Ländern nicht nur von der sozialen Herkunft, sondern auch vom Migrationsstatus abhängen […]
[Schießlich] dürften dazu nicht zuletzt auch Entstehung und Ausbreitung unterschiedlicher „pädagogischer Bewegungen“ (Prengel 1993/2006, S. 11f.) wie der Interkulturellen Pädagogik, der feministischen Pädagogik (bzw. der pädagogischen Frauen- und Geschlechterforschung) sowie der Integrations- oder Inklusionspädagogik beigetragen haben, deren Gemeinsamkeit im jeweiligen Interesse und Engagement für eine spezielle Adressatengruppe besteht. Ohne diese „Bewegungen“ und deren zumindest partielle Überschneidungsfelder und Berührungspunkte wäre die Konjunktur des Heterogenitätskonzepts schwerlich zu erklären. Verbunden mit der Entstehung dieser Bewegungen – wenn auch keineswegs auf sie beschränkt – sind schließlich weitere diskursive Entwicklungen innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Theorielandschaft, die ebenfalls zum wachsenden Interesse für Heterogenität und Verschiedenheit beigetragen haben dürften. Dazu zählt insbesondere die Rezeption poststrukturalistischer Ansätze (z.B. der Theorien Jacques Derridas, Gilles Deleuzes oder Jean-François Lyotards), deren besonderes Interesse Phänomenen und Konzepten der Differenz bzw. der radikalen Pluralität gilt und deren – von Ausnahmen abgesehen – verspätete breitere Rezeption in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft zeitlich mit der Konjunktur des Heterogenitätskonzepts zusammenfällt
Hans-Christoph Koller: Heterogenität – Zur Konjunktur eines pädagogischen Konzepts, in: Hans-Christoph Koller, Rita Casale und Norbert Ricken (Hg.): Heterogenität. Zur Konjunktur eines pädagogischen Konzeptes, Paderborn 2014, S. 9-18, hier S. 12; 13.

2018
Nicht nur das schnelle Verwelken der schönsten Blumen (»wie zu sehr geschminkte, schlecht alternde Vetteln«) zeugt von dieser Opposition [gegen die Formen und formalen Konventionen], sondern auch modrige Sümpfe, verfaulende Wälder und andere Schand- und Schmutzorte der Natur, die Bataille in Analogie zu den Kellerlöchern der Menschen versteht. Hierzu gehört auch und vor allem das, was er im Bild des Anus solaire und ähnlicher, unmittelbar darauf bezüglicher Wortbilder in seinen erotischen Texten ausdrückt. Sie haben ihm erlaubt, eine Phänomenologie des Heterogenen zu entwerfen, und zwar als eine Antwort auf alles, »was auf der Erde harmonisch und geregelt ist, auf alles, was durch einen korrekten Aspekt Autorität zu erwerben sucht« [la réponse innommable à tout ce qui, sur terre, est harmonieux et réglé, à tout ce qui cherche à faire autorité par un aspect correct].
Rita Bischof: Negativität und Anerkennung. Hegel, Kojéve, Bataille und das Ende der Geschichte, in: Georges Bataille: Hegel, der Mensch und die Geschichte. Die Hegel-Essays, Berlin 2018, S. 111-294, hier FN 168.

 

Literatur

Andreas Hinz: Heterogenität. Eine neue Leitidee beginnt zu wirken, in: Angelika Henschel (Hg.): Konzepte der (Sonder)Pädagogik in Ost und West, Bad Segeberg 1993, S. 15-31.

Hanna Kiper: Umgang mit Heterogenität, in: Hanna Kiper, Hilbert Meyer und Wilhelm Topsch: Einführung in die Schulpädagogik, Berlin 2002, S. 157-169.

Norbert Wenning: Heterogenität als neue Leitidee der Erziehungswissenschaft? Zur Berücksichtigung von Gleichheit und Verschiedenheit, in: Zeitschrift für Pädagogik 50 (2004), S. 565-582.

Katharina Walgenbach: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007.

Sven Sauter und Joachim Schroeder: Heterogenität – eine Einführung in eine pädagogische Leitkategorie, Hagen 2007.

Sebastian Boller, Elke Rosowski und Thea Stroot (Hg.): Heterogenität in Schule und Unterricht. Handlungsansätze zum pädagogischen Umgang mit Vielfalt, Weinheim 2007.

Hanna Kiper: Zur Diskussion um Heterogenität in Gesellschaft, Pädagogik und Unterrichtstheorie, in: dies. et al. (Hg.): Lernarrangements für heterogene Gruppen. Lernprozesse professionell gestalten, Bad Heilbrunn 2008, S. 78-105.

Jörg Hagedorn, Verena Schurt, Corinna Steber und Wiebke Waburg: Ethnizität, Geschlecht, Familie und Schule. Heterogenität als erziehungswissenschaftliche Herausforderung, Wiesbaden 2009.

Beate Wischer: Der Diskurs um Heterogenität und Differenzierung. Beobachtungen zu einem schulpädagogischen ‚Dauerbrenner‘, in: dies. und Klaus-Jürgen Tillmann (Hg.): Erziehungswissenschaft auf dem Prüfstand. Schulbezogene Forschung und Theoriebildung von 1970 bis heute, Weinheim 2009, S. 69-93.

Matthias Trautmann und Beate Wischer: Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung, Wiesbaden 2011.

Jürgen Budde: Die Rede von der Heterogenität in der Schulpädagogik. Diskursanalytische Perspektiven, in: Forum Qualitative Sozialforschung 13 (2012), Nr. 2, Art. 16.

Marcus Emmerich und Ulrike Hormel: Heterogenität ‒ Diversity ‒ Intersektionalität. Zur Logik sozialer Unterscheidungen in pädagogischen Semantiken der Differenz, Wiesbaden 2013.

Jürgen Oelkers: Inklusion, Heterogenität und Bildungsstandards, in: Karl-Ernst Ackermann, Oliver Musenberg und Judith Riegert (Hg.): Geistigbehindertenpädagogik!? Disziplin ‒ Profession ‒ Inklusion, Oberhausen 2013, S. 43-56.

Martin Woesler: Handbuch Heterogenität. Entstehung, Gestaltung von und Umgang mit nationaler und internationaler Heterogenität/Vielfalt, mit Anwendungsfällen aus Bildungs- und Arbeitsprozessen, Bochum 2014.

Hans-Christoph Koller, Rita Casale und Norbert Ricken (Hg.): Heterogenität. Zur Konjunktur eines pädagogischen Konzeptes, Paderborn 2014.

Katharina Walgenbach: Heterogenität ‒ Intersektionalität ‒ Diversity in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2014.

Jürgen Budde: Heterogenitätsforschung. Empirische und theoretische Perspektiven, Weinheim 2015.