Das Verfahren, die Praxis oder die Politik der Eingliederung eines Menschen in eine Aktivität, einen Prozess, ein System oder eine Organisation, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Fähigkeiten etc.

1893
I knew that in Altruria […] the possession of great gifts, of any kind of superiority, involved the sense of obligation to others, and the wish to identify with one’s self with the great mass of men, rather than the ambition to distinguish one’s self from them; and that the Altrurians honored their gifted men in the measure they did this. A man reared in such a civilization must naturally find it difficult to get our point of view; with social inclusion as the ideal, he could with difficulty conceive of our ideal of social exclusion
William Dean Howells: A Traveler from Altruria, part VI, in: Cosmopolitan 14 (1893), S. 697-705, hier S. 697.

1902
To the northern man personal likes and dislikes, social inclusion or exclusion, will depend on the individual. His being a negro makes no more difference than his being a Spaniard or Italian or Russian or Englishman. To the southern man the idea of a socially acceptable negro is a contradiction in terms.
Albion W. Small: The scope of sociology, VIII. The primary concepts of sociology, in: American Journal of Sociology 8 (1902), S. 197-250, hier S. 200.

1911
The child tends to vary from accepted standards even more than does a particular family, and both types of variation are most economically corrected by an institution of wider social inclusion.
Frank A. Manny: The elementary school curriculum, in: Kindergarten Review 22 (1911), S. 174-178, hier S. 174

1926
the first thing to do is to cultivate this sense of social inclusion, of social fraternity and responsibility
Julia Shelley Hodges: George Hodges. A Biography, New York 1926, S. 102.

1950
it is the degree of group participation, and hence of inclusion, and attachment as represented by the successive states of Crowd, Interest-group, Society or Community and abstract Commonalty that determines the rightness and wrongness of moral norms […].
Where there is greater group participation, inclusion and solidarity not merely are goals and values
Radhakamal Mukerjee: The Dynamics of Morals. A Sociopsychological Theory of Ethics, London 1950, S. 259; 277.

1955
American Nurses’ Association […] Promotes inclusion and participation of minority groups […] Works for elimination of discrimination in job opportunities
Jean Dresden Grambs: Education in a Transition Community, New York 1955, S. 116.

1959
social inclusion and participation are so important at this age
A. Jack Hafner und Arthur M. Kaplan: An item analysis of the children’s manifest anxiety scale, in: Child Development 30 (1959), S. 481-488, hier S. 487.

1987
This article tackles the broad issue of the intersection of sexuality, disability and sex education. It explores myths about the nonsexual disabled woman, explodes stereotypes, examines basic issues of identity based on differently functioning bodies, examines contexts and issues for dating and other loving relationships, reviews the factors contributing to sexual abuse, identifies problem areas in existing approaches to sex education, documents existing gaps in sexuality-related services, offers remedies for the inclusion of disabled students in both curriculum and classroom
Katherine Corbett, Susan Shurberg Klein und Jennifer Luna Bregante: The role of sexuality and sex equity in the education of disabled women, in: Peabody Journal of Education 64 (1987), S. 198-212, hier S. 199.

2005
Ist mit Integration die Eingliederung von bisher ausgesonderten Personen gemeint, so will Inklusion die Verschiedenheit im Gemeinsamen anerkennen, d.h., der Individualität und den Bedürfnissen aller Menschen Rechnung tragen. Die Menschen werden in diesem Konzept nicht mehr in Gruppen (z.B. hochbegabt, behindert, anderssprachig) eingeteilt. Während im Begriff Integration noch ein vorausgegangener gesellschaftlicher Ausschluss mitschwingt, bedeutet Inklusion Mitbestimmung und Mitgestaltung für alle Menschen ohne Ausnahme. Inklusion beinhaltet die Vision einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder in allen Bereichen selbstverständlich teilnehmen können und die Bedürfnisse aller Mitglieder ebenso selbstverständlich berücksichtigt werden. Inklusion bedeutet, davon auszugehen, dass alle Menschen unterschiedlich sind und dass jede Person mitgestalten und mitbestimmen darf.
Walter Krög: Einleitung, in: Herausforderung Unterstützung. Perspektiven auf dem Weg zur Inklusion, 2005 (http://bidok.uibk.ac.at/library/mim-broschuere.html).

2013
Ein gesellschaftstheoretisches Konzept von Inklusion (und Exklusion) bedeutet einen Perspektivenwechsel „von personalen Kategorien zu Sozialstrukturen“ (vgl. Weinbach 2013), der eine Überwindung separater disziplinärer und professioneller Zuständigkeiten für unterschiedliche Zielgruppen bei grundsätzlich ähnlicher Zielsetzung unterstützen könnte. Es geht dann nicht vordergründig um die Frage, wie etwa „behinderte“ Menschen „inkludiert“ werden können. Ein kritischer Inklusionsbegriff folgt einem anderen, nämlich konstruktivistischen Erkenntnisinteresse, das danach fragt, wie Verschiedenheiten, einschließlich Behinderungen und anderer Formen ungleicher Teilhabe, durch soziokulturelle Strukturen und institutionelle (auch wohlfahrtsstaatliche) Praktiken der verschiedenen Funktionssysteme, also im Vollzug von Inklusion, überhaupt hervorgebracht, kategorisiert und (wohlfahrtsstaatlich) bearbeitet werden, wie diese jeweils in den unterschiedlichen Gesellschaftskontexten (Bildung, Wirtschaft, Politik, sozialen Beziehungen usw.) zusammenwirken, welche vor- und nachteiligen Handlungsspielräume sich hieraus für die Verwirklichung von Selbstbestimmung und Teilhabe im Lebenslauf ergeben und wie diese Resultate wiederum auf soziale Verhältnisse zurückwirken.
Gudrun Wansing: Der Inklusionsbegriff zwischen normativer Programmatik und kritischer Perspektive, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 44 (2013), S. 16-27, hier S. 24f.

2014
Eine fruchtbare Möglichkeit, die Inklusionsdebatte politisch-theoretisch zu fundieren und den spezifischen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen (mit Behinderung) innerhalb der Hilfen zur Erziehung gerecht zu werden, bietet hier der sogenannte Capability Appproach. […] Die für alle Menschen gleichermaßen formulierten Verwirklichungschancen (capabilities) berücksichtigen die menschliche Heterogenität sowie etwaige kulturelle Besonderheiten und vermeiden gerade aufgrund ihrer Universalität zuschreibende und diskriminierende Kategorisierungen […]. Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Behinderung könnte sich dieser Umstand als vielversprechend erweisen. Außerdem ließe sich dadurch ohne größere Anstrengungen an eine erweiterte Inklusionsperspektive anknüpfen, welche Abstand nimmt von stigmatisierenden Typisierungen und verkürzten Dichotomien. […] [Es] könnte eine disziplinär und professionell fundierte Repräsentation zum Begriff [Inklusion] in den Hilfen zur Erziehung zukünftig ›Ermöglichung von Verwirklichungschancen‹ lauten.
Benedikt Hopmann: Das Inklusive am Inklusionsbegriff in den Hilfen zur Erziehung. Ein kritischer Problemaufriss, in: Neue Praxis 44 (2014), S. 280-294, hier S. 288f.;290f.

2017
Im deutschsprachigen Kontext etablierte sich der Begriff Inklusion im Rahmen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (VN-BRK 2006) (UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)) und deren Ratifizierung durch Deutschland 2009. Seitdem besteht völkerrechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung dieses Übereinkommens. Grundlegende Prämissen im Themenfeld Inklusion sind:
‒ Die Anerkennung und Wertschätzung von Differenz in Gemeinschaften, Institutionen und Organisationen;
‒ die Fokussierung auf verschiedene Heterogenitätsdimensionen bzw. Differenzlinien, etwa unterschiedliche Fähigkeiten; sexuelle Orientierungen; kulturelle und soziale Herkunft; sozioökonomische Hintergründe; Lebensalter; religiöse und weltanschauliche Zugänge u. a. m.
‒ die Veränderung, Entwicklung und Anpassung von Systemen an zu erwartende Fragestellungen, die sich aus den individuellen Situationen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ergeben.
In der deutschsprachigen Diskussion wird Integration zumeist strikt von Inklusion getrennt.
Kerstin Ziemen: Inklusion, in: dies. (Hg.): Lexikon Inklusion, Göttingen 2017, S. 101-102, hier S. 101.

2019
Sprachlich wird der Begriff der gleichberechtigten Teilhabe heute in engem Zusammenhang mit dem der Inklusion verwendet. Eine inklusive Gesellschaft ermöglicht nach diesem Wortgebrauch allen ihren Mitgliedern gleichberechtigte Teilhabe. Sie bezieht sie auf diese Weise in das soziale Leben ein und verlangt dabei nicht von ihnen, ihre individuellen Besonderheiten aufzugeben. Es geht also um „Gleichheit angesichts zu akzeptierender bzw. zu würdigender Vielfalt“. Hinter dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe verbirgt sich damit nichts anderes als eine moderne Reformulierung des liberalen Gleichheitsversprechens: ungeachtet tatsächlicher Unterschiede in Eigenschaften, Begabungen und Interessen als Freie und Gleiche zusammenzuleben.
Friederike Wapler: Gleichheit angesichts von Vielfalt als Gegenstand des philosophischen und des juristischen Diskurses, in: Ute Sacksofsky (Hg.): Gleichheit, Vielfalt, technischer Wandel. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Bonn 78 (2018), Berlin 2019, S. 53-91, hier S. 70.

 

Literatur

Walter Krög: Einleitung, in: Gudrun Erlinger (Hg.): Herausforderung Unterstützung. Perspektiven auf dem Weg zur Inklusion, Mensch im Mittelpunkt, Lechaschau 2005.

Rudolf Stichweh: Inklusion und Exklusion, in: Christoph Gusy und Heinz-Gerhard Haupt (Hg.): Inklusion und Partizipation. Politische Kommunikation im historischen Wandel, Frankfurt am Main 2005, S. 35-48.

Christoph Gusy: Partizipation durch Inklusion, in: Christoph Gusy und Heinz-Gerhard Haupt (Hg.): Inklusion und Partizipation. Politische Kommunikation im historischen Wandel, Frankfurt am Main 2005, S. 247-257.

Wolfram Kulig: Soziologische Anmerkungen zum Inklusionsbegriff in der Heil- und Sonderpädagogik, in: Georg Theunissen: Inklusion von Menschen mit geistiger Behinderung. Zeitgemäße Wohnformen, soziale Netze, Unterstützungsangebote, Stuttgart 2006, S. 49-55.

Christian Spieß: Der Inklusionsbegriff aus ethischer Sicht, in: Forum sozial (2011), S. 11-16.

Hans-Jürgen Balz: Soziale Inklusion. Grundlagen, Strategien und Projekte in der Sozialen Arbeit, Wiesbaden 2012.

Mathias Brodkorb und Katja Koch: Inklusion ‒ eine Begriffsbestimmung. Inklusion ‒ zur Geschichte eines pädagogischen Leitbegriffs, in: Das Menschenbild der Inklusion. Erster Inklusionskongress M-V. Dokumentation, Schwerin 2012, S. 89-98.

Petra Wagner (Hg.): Handbuch Inklusion. Grundlagen vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung, Freiburg im Breisgau 2013.

Heinz-Elmar Tenorth: Inklusion im Spannungsfeld von Universalisierung und Individualisierung – Bemerkungen zu einem pädagogischen Dilemma, in: Karl-Ernst Ackermann, Oliver Musenberg und Judith Riegert (Hg.): Geistigbehindertenpädagogik!? Disziplin ‒ Profession ‒ Inklusion, Oberhausen 2013, S. 17-41.

Jürgen Oelkers: Inklusion, Heterogenität und Bildungsstandards, in: Karl-Ernst Ackermann, Oliver Musenberg und Judith Riegert (Hg.): Geistigbehindertenpädagogik!? Disziplin ‒ Profession ‒ Inklusion, Oberhausen 2013, S. 43-56.

Vera Moser: Inklusion: Programmatik vs. Systemtheorie?, in: Karl-Ernst Ackermann, Oliver Musenberg und Judith Riegert (Hg.): Geistigbehindertenpädagogik!? Disziplin ‒ Profession ‒ Inklusion, Oberhausen 2013, S. 57-67.

Kirsten Puhr: Theoriegeleitete Auseinandersetzung mit dem Inklusionsbegriff und Verhältnis von Allgemeiner Pädagogik und Sonderpädagogik, in: Karl-Ernst Ackermann, Oliver Musenberg und Judith Riegert (Hg.): Geistigbehindertenpädagogik!? Disziplin ‒ Profession ‒ Inklusion, Oberhausen 2013, S. 69-88.

Gudrun Wansing: Der Inklusionsbegriff zwischen normativer Programmatik und kritischer Perspektive, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 44 (2013), S. 16-27.

Reinhard Burtscher et al.: Zugänge zu Inklusion. Erwachsenenbildung, Behindertenpädagogik und Soziologie im Dialog, Bielefeld 2013.

Mary A. Caldera: Through the Archival Looking Glass. A Reader on Diversity and Inclusion, Chicago 2014.

Benedikt Hopmann: Das Inklusive am Inklusionsbegriff in den Hilfen zur Erziehung. Ein kritischer Problemaufriss, in: Neue Praxis 44 (2014), S. 280-294.

Franziska Hermanns: Der Inklusionsbegriff. Annäherung aus verschiedenen Blickwinkeln. Merkmale von Inklusion und Exklusion systemtheoretisch, sozialpolitisch und empirisch betrachtet, in: Fachdidaktik inklusiv 3 (2014), S. 109-118.

Annika Brych: Vergleich der Konzepte Integration und Inklusion und der Bezug zur Waldorf- und Montessori-Pädagogik. Welches Menschenbild liegt dem Integrations- sowie Inklusionsansatz zugrunde und inwiefern lassen sich Vergleiche zur Waldorf- und Montessori-Pädagogik ziehen?, Berlin 2015.

Ulrich Niehoff: Inklusion bedeutet Vielfalt! Plädoyer für einen weiten Inklusionsbegriff, in: Behindertenpädagogik 54 (2015), S. 163-178.

Josef N. Neumann: Behinderte Menschen in Antike und Christentum. Zur Geschichte und Ethik der Inklusion, Stuttgart 2017.

Kerstin Ziemen (Hg.): Lexikon Inklusion, Göttingen 2017.

Philipp Singer: Inklusion und Fremdheit. Abschied von einer pädagogischen Leitideologie, Bielefeld 2018.

Carola Kuhlmann, Hildegard Mogge-Grotjahn und Hans-Jürgen Balz: Soziale Inklusion. Theorien, Methoden, Kontroversen, Stuttgart 2018.